Dilettanten-, Liebhaber-, Laien-, Amateurtheater: All diese Begriffe stehen für nicht-professionelles Theater, das im Burgenland der Ersten Republik eine imposante Hochblüte erlebte und das hinsichtlich seiner Trägerschaft als „Vereinstheater“ bezeichnet werden kann. Ob katholische Burschen-, Mädchen- und Gesellenvereine – den von der Mitgliederzahl und Bedeutung her wichtigsten Trägern des damaligen Amateurtheaters – ob Gesangsvereine, sozialdemokratische Organisationen, Sportvereine, Feuerwehren, Geselligkeitsvereine: Theater zu spielen gehörte landauf, landab in so gut wie allen Gemeinden zum damals überaus regen Vereinsleben. Befeuert wurden die Bühnendarbietungen oft dadurch, dass mit den Einnahmen die eigene Vereinskasse aufgebessert oder auch ein „wohltätiger Zweck“ unterstützt werden konnte. So kam eine Benefizvorstellung des Arbeitermännergesangsvereins „Morgenrot“ im Herbst 1935 in Neufeld an der Leitha streikenden Textilarbeiter:innen zugute.
Mitglieder eines „Dilettanten-Theaters“ führten 1919 im Eisenstädter Gasthaus „Zur weißen Rose“ das Singspiel „Das Dreimäderlhaus“ auf. (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)
Die Theatergruppe des Burschen- und Mädchenvereins Nickelsdorf spielte 1926 das Stück „Das heiratsnarrische Volk“.
Amateurtheateraufführungen waren in der Ersten Republik immer wieder auch Anlass für parteipolitische Auseinandersetzungen, die in den Parteizeitungen ausgetragen wurden. An den Spielplänen lassen sich die unterschiedlichen politischen Ausrichtungen der Vereine allerdings kaum ablesen. Durch die Bank besonders beliebt waren Stücke, die beim Publikum „die Lachmuskeln strapazierten“, eine im Übrigen bis heute strapazierte Formulierung in den Theaterkritiken lokaler Zeitungen. Großen Einfluss hatten die ursprünglich aus dem alpenländischen Raum stammenden „Bauerntheater“. Deren Stücke spielten im Milieu von Bergbauern, Sennerinnen und Gebirgsjägern und sickerten ins Repertoire der Laienspielgruppen ein.
Im Theaterspielen sahen alle drei politischen Lager der Zwischenkriegszeit ein probates Vehikel der Volksbildung im Interesse einer „Besinnung auf das Bodenständige,“ einer „Heimkehr des Burgenlandes in seine geistige Heimat Österreich,“ wie der sozialdemokratische Politiker Ludwig Leser (1890-1946)1922 formulierte. In den ersten Jahren nach 1921 wurde den Gruppen hoch angerechnet, in deutscher Sprache zu spielen, wo sie doch nur ungarische Schulbildung hätten. Ob auch den Amateurschauspieler:innen bewusst war, dass sie mit ihren Aufführungen zur Schaffung einer burgenländischen Landesidentität beitragen sollten, darf bezweifelt werden. Aus den Fotos von Theatergruppen der Zwischenkriegszeit blicken ernsthafte Gesichter. Bedenkt man, dass es damals als unschicklich galt, beim Fotografieren zu lächeln, dann blitzt auch durch die gestrengen Mienen die Freude am Theaterspielen, am sich Verkleiden und des in eine Rolle Schlüpfens.
Theatergruppe aus Oberwart in der Zwischenkriegszeit (Quelle: Burgenländisches Landesarchiv, Fotosammlung)